Erbrecht Enterbt - und nun?
Hier erhalten Sie einen Überblick über die 10 wichtigsten Fakten rund um das Thema Enterbung.
1. Wann liegt eine Enterbung vor?
Man spricht von Enterbung, wenn eine Person, die zu den gesetzlichen Erben gehört, durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Dies kann ausdrücklich durch Ausschluss oder konkludent dadurch geschehen, dass eine oder mehrere andere Personen als Erben eingesetzt werden.
2. Kann man gegen eine Enterbung etwas tun?
Grundsätzlich ist jede/r Erblasser/in in der Entscheidung frei, wen er/sie als Erben einsetzen will (Testierfreiheit). Eine Enterbung kann aber unwirksam oder anfechtbar sein, z. B. mangels Testierfähigkeit oder bei Vorliegen eines Formmangels, eines Verstoßes gegen die Bindung aus früherem Testament/Erbvertrag u. a.
3. Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Für die engsten Angehörigen sieht das Gesetz im Falle der Enterbung ein Pflichtteilsrecht vor. Den Abkömmlingen, dem Ehe-/Lebenspartner und sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind auch den Eltern steht ein Pflichtteilsanspruch zu, der eine Mindestbeteiligung am Nachlass sichert. Nicht pflichtteilsberechtigt sind weiter entfernte Verwandte, wie z.B. Geschwister.
4. Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also die Hälfte dessen, was die enterbte Person ohne den Ausschluss von der Erbfolge erhalten hätte. Dies ist abhängig von dem ehelichen Güterstand und der Zahl der Abkömmlinge des/r Verstorbenen. Es handelt sich jeweils um einen reinen Zahlungsanspruch, der sich nach dem Wert des Nachlasses richtet.
5. Wie wird der Nachlasswert ermittelt?
Pflichtteilsberechtigte haben gegen den Erben bzw. die Erbengemeinschaft einen Anspruch auf Auskunft zum Nachlass in Form eines Nachlassverzeichnisses über sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten. Es kann auch ein notarielles Nachlassverzeichnis und die Hinzuziehung bei dessen Erstellung verlangt werden. Sind im Nachlass Vermögenswerte vorhanden, deren Bewertung nicht ohne weiteres möglich ist, wie z.B. eine Immobilie, besteht ein Anspruch auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Kosten für beides obliegen dem Nachlass und mindern damit auch den Pflichtteil.
6. Was tun, wenn Vermögen vor dem Tod verschenkt wurde?
Alles was innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall verschenkt wurde, wird bei der Berechnung des sog. Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach dem Abschmelzungsmodell mit einbezogen. Im ersten Jahr vor dem Erbfall wird die Schenkung in vollem Umfang berücksichtigt, innerhalb jedes weiteren Jahres um jeweils 10 % weniger. Je länger die Schenkung zurückliegt, desto geringer der Prozentsatz, zu dem sie eingerechnet wird. Nach zehn Jahren wird die unentgeltliche Vermögensübertragung nicht mehr berücksichtigt. Hat sich der Schenker ein Nutzungsrecht vorbehalten oder handelt es sich um eine Schenkung an den Ehegatten, gilt die Zehnjahresfrist nicht.
7. Gibt es einen Pflichtteil, obwohl man etwas geerbt hat?
Ist man (Mit-)Erbe geworden, liegt der Erbteil wertmäßig aber unterhalb des Pflichtteils, kann man die Differenz als sog. Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsrestanspruch verlangen. Dies betrifft auch solche Fälle, in denen der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen so reduziert wurde, dass die Mindestteilhabe des gesetzlichen Erben beeinträchtigt ist.
8. Wer muss den Pflichtteil bezahlen?
Pflichtteils- sowie Pflichtteilsergänzungsanspruch richten sich grundsätzlich gegen den Erben/die Erbengemeinschaft. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann unter Umständen auch von der beschenkten Person verlangt werden.
9. Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen mit dem Erbfall. Sie müssen allerdings gefordert werden, ansonsten verjähren sie binnen drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem die berechtigte Person Kenntnis vom Erbfall und der Enterbung erlangt hat. Fristende ist also stets erst der 31. Dezember des Jahres, in dem die drei Jahre verstrichen sind. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der gegen den Beschenkten geltend gemacht wird, verjährt kenntnisunabhängig und tagesgenau binnen drei Jahren ab dem Erbfall.
10. Wo muss man den Pflichtteil geltend machen?
Den Pflichtteil sowie den vorgelagterten Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch fordert man direkt von dem Erben bzw. der Erbengemeinschaft. Wird der Anspruch nicht erfüllt bzw. keine außergerichtliche Einigung erzielt, kann der Anspruch gerichtlich beim Zivilgericht eingeklagt werden.
- Von Liza Katherine Rothe, Rechtsanwältin
Leonhard & Imig